Machen wir Fotos?“, fragt Ann-Marlene Henning, als sie die Tür zu ihrer Eppendorfer Wohnung öffnet und reibt sich die roten Augen. Sie zeigt auf die Birke vor ihrem Zimmerfenster und flucht. Die Allergie hat zugeschlagen. Aber wenn ein Foto gemacht werden soll, dann dauert es nur 10 Minuten, beteuert sie. Schließlich ist sie Profi. Als Model ist sie es gewohnt, von einer Sekunde auf die nächste perfekt aus- zusehen. Doch heute geht es nicht um Schönheit. Heute geht es um Sex. Das Foto kann warten, bis die Allergie verklingt. Wir wollen reden. Nicht mit dem Model. Sondern mit der Sexologin Ann-Marlene.
Sexologin. Nur wenige können etwas mit diesem Begriff anfangen. Selbst Google nicht. Dort findet man unter Sexologe Hamburg zwar jede Menge Strip-Lokale, Sex-Shops und Bordelladressen, doch damit hat Sexologie nur im entferntesten Sinne etwas zu tun. „Ich habe Glück gehabt“, sagt Ann-Marlene und lacht. Als Dänin stand ihr diese Ausbildung offen.
„Skandinavien ist uns in Deutschland einiges voraus: Dort ist die Ausbildung zum Sexologen auch ohne Medizinstudium möglich! Ein Sexologe informiert, berät und unterrichtet zu allen Fragen rund um Bezie- hung und Sexualität“, klärt die 47-Jährige auf. Zu ihrem Job ist Ann-Marlene eher zufällig gekommen. Eigentlich hatte sie in Dänemark Jura studiert. „Ich konnte schon immer gut reden und argumentieren“, sagt sie, „doch im Unterbewusstsein wurde ich zunehmend unzufriedener.“ Als sie 1985 wegen der Liebe nach Deutschland kam, orientierte sie sich um. Als gefragtes Model verdiente sie sich hier bald den Lebensunterhalt. Und ergatterte schließlich als einer der wenigen Ausländer einen der begehrten Studienplätze für Psychologie und Neuropsychologie. Mitten in der Diplomarbeit dann die Hiobsbotschaft: Ann-Marlene hat drei Aneurismen im Hirn, muss operiert werden. Die Krankheit bringt alle Pläne durcheinander. So kommt sie zurück nach Dänemark, arbeitet dort auch ohne Diplom als Psychologin im Rehabilitations-Zentrum für Hirngeschädigte „Vejle Fjord“.
Doch angekommen fühlt Ann-Marlene sich nicht. „Irgendwas muss ich doch mit meinem Leben machen, hab ich gedacht“, erinnert sie sich. „Ich hatte schon vieles ausprobiert und wollte etwas finden, was meiner ganzen Erfahrung und meinen kreativen Talenten entsprach.“ Eine Freundin in Kopenhagen öffnet ihr die Augen. „Ich habe gerade einen Schlüssel aus der vierten Etage abgeholt, da sitzen lauter so Leute wie du rum“, war alles, was sie eines Tages, als Ann-Marlene mal wieder am Telefon „nölte“, sagte. Der vierte Stock. Ein ausgelagerter Seminarraum der Sexologen-Schule. „Über Sex hab ich schon immer gern gesprochen, warum also nicht“, sagt Ann-Marlene mit ihrem leichten dänischen Akzent. Sie zögert gar nicht erst und bewirbt sich. Fast vier Jahre lang lässt sie sich zur Sexologin und Paartherapeutin ausbilden. Seit 2009 empfängt Ann-Marlene ihre Klienten in ihrer Eppendorfer Praxis. Hier haben die Wände keine Ohren, Tabu-Themen gibt es nicht. „Wir müssen viel mehr über Sex sprechen“, sagt Ann-Marlene. „Das gibt uns wichtige Lebensenergie.“
[pullquote align=”left”]»Männer haben oft gar keine Ahnung, was Frauen brauchen, um horny zu werden« [/pullquote]womaninthecity: Warum müssen wir denn überhaupt über Sex reden?
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Quelle: Woman in the city Ausgabe Mai 2011 (Printausgabe)