“Frauen wollen eingenommen werden”, sagt Sexologin und Psychotherapeutin Ann-Marlene Henning. Ein Gespräch über Männer und die Frage, was Frauen wirklich wollen.
Es gibt im Wesentlichen zwei Sorten von Männern. Solche, die sich ihrer Männlichkeit sehr bewusst sind und sich damit wohl fühlen, und andere, unsichere Männer, die sich selbst noch nicht gefunden haben.
Der typische moderne Mann ist eher unsicher. Er denkt, ich will doch nett sein, ich will auf die Bedürfnisse meiner Partnerin achten. Solche Männer kommen in die Praxis, weil ihre Partnerinnen es möchten. Liebevolle Männer, die kommunizieren, die weinen können, die ihre Frau lieben, die aber deshalb ihre Frau sexuell nicht einnehmen können: sie empfinden ihre stoßende Männlichkeit, ihre bestimmende Männlichkeit, als negativ.
Aber genau das ist das Problem.
Der eigentliche Unterschied zwischen Mann und Frau besteht für mich nämlich darin, dass der Mann penetrierend ist. Er kann und sollte stoßen! Er kann eine Frau einnehmen. Nicht im bösen, sondern weil er ein Bedürfnis danach hat und weil Frau es auch möchte. Sie ist ja das Gegenstück zu ihm, sie möchte ihn in sich aufnehmen, ihn entgegennehmen. Wissenschaftler sprechen sogar von einem „Zelteffekt” bei der Frau: Wenn sie sexuell erregt ist, zieht sich ihre Gebärmutter etwas nach oben, was von vielen Frauen als Bedürfnis empfunden wird „ausgefüllt zu werden”.
Wie können Sie helfen?
Erst kläre ich über die Zusammenhänge auf. Es herrschen hier noch viele Vorurteile und viel Halbwissen. Die Probleme können schließlich anatomische oder psychologische Ursachen haben. Danach überlege ich ganz konkret, was mein Klient heute schon verändern kann, damit er ein Erfolgserlebnis hat. Dadurch werden auch andere wichtige Prozesse in Gang gesetzt, die das Selbstbewusstsein stärken.
Ein Beispiel für eine einfache Maßnahme mit Soforteffekt ist: Statt die Hand beim Masturbieren zu bewegen – was die meisten Männer tun – sollten sie lieber die Hand ruhig halten und das Becken bewegen, weil das die Bewegung ist, die sie später beim Sex brauchen. Der Vorteil: Man(n) spürt mehr! Wird das Becken bewegt, verstärkt sich die Durchblutung der gesamten Unterleibsregion, und die Erregung wird in den ganzen Körper verteilt. Nebenbei wird der Beckenboden dabei trainiert, was einen guten Nebeneffekt hat: bessere und stärkere Erektionen! Der Penis befindet sich nämlich zu einem Drittel im Beckenboden, der unter anderem dafür zuständig ist, die Erektion zu vervollständigen und zu halten.
Wenn die Frau zu schüchtern oder zu passiv ist?
Wenn man zehn Jahre gewartet hat, dann ist es schwer über unerfüllte sexuelle Wünsche zu sprechen. Männer sagen dann: „Sie will nicht darüber reden, sie ist zu schüchtern.” Das verwundert nicht, es gehört ja auch Mut dazu.
Es ist wichtig, einen Aufhänger zu finden, damit man das so nebenbei einfließen lassen kann und sagen kann, ich habe mir darüber Gedanken gemacht. Mann sollte schon deutlich sein, dabei aber witzig und nett. Denn mit einem Aufhänger und Humor wird es einfacher und es bleibt entspannt. In etwa so: „Ich hätte Lust, wenn wir mal etwas Neues ausprobieren, ich führe Dich heute Abend mal aus”. Ganz wichtig ist es, bei sich zu bleiben und dem anderen keine Vorwürfe zu machen oder zu drängen.
Ein Aufhänger wäre zum Beispiel der Video-Blog auf meiner Webseite. In kleinen Filmen erkläre ich dort ganz unterschiedliche Themen. Aber auch ein Buch oder ein Film kann auch als Auslöser für gute Gespräche dienen.
Ist es nicht irgendwann zu spät fürs Umlernen?
Nein, nie. Zwar sagen alle, das hätte ich gern eher gewusst. Aber Betroffene in jedem Alter profitieren davon. Selbst ein Paar, das seit 15 Jahren keinen Sex mehr miteinander hatte, fand zu mehr Erfüllung: Beim zweiten Mal sagte die Frau: „Wir haben die Stoßtechniken aus deinem Blog ausprobiert und ich habe endlich etwas gespürt.” Da weiß ich, es ist nie zu spät.
Wie wird man Sexologin?
Ich habe schon immer gern über Sex geredet. In Dänemark redet man mit Freunden über Sex, natürlich nicht nur, aber auch.
Ich habe einen sehr gemischten Lebenslauf: erst studierte ich Rechtswissenschaften, später Neuro-Psychologie. Ich habe auch als Model gearbeitet, ein Buch geschrieben, moderiert, gesungen. Und mit knapp 40 steht man dann da und überlegt: Wo will ich wirklich hin? Da kam mir der Zufall zu Hilfe. Eine dänische Freundin hatte einen Schlüssel an der Universität in Kopenhagen abgeholt. An der Tür hatte ein Zettel mit der Nachricht gestanden: „Wir haben den Schlüssel bei den Sexologen hinterlegt.” Diese Freundin hat mir am selben Tag noch davon erzählt. Sie sagte, wieso wirst du eigentlich nicht Sexologin, da saßen lauter Frauen wie du. Ich habe mich sofort informiert. Und dann bin ich drei Jahre zu den Seminaren gefahren und habe Examen gemacht. Jetzt arbeite ich jeden Tag mit etwas, das mir sehr gefällt.
Quelle: http://www.menscore.de/sex-orgasmus/sex/item/151/151