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Zeitjung: Sex in Nahaufnahme

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Ann-Marlene hat seit dem Erscheinen ihres Aufklärungsbuches Make Love vor anderthalb Monaten keinen Tag vor 23:00 Uhr Feierabend und muss sich jetzt dann mal überlegen, wie lange sie das noch so machen möchte. Mit ZEITjUNG hat sie aber trotzdem gesprochen. Über Pornographie, ihr Buch, guten Sex und Angst.

ZEITjUNG: Frau Henning, was heißt eigentlich gut im Bett?



Ann-Marlene Henning: Das ist eine gute Frage. Es heißt sicherlich nicht einfach nur irgendwelche Techniken gut zu können und ein bestimmtes Programm abzuspulen, nach dem Motto, hier noch ein Stellungswechsel und hier noch und so weiter. Guter Sex hat etwas mit wahrnehmen, spüren und genießen zu tun. Wenn man beim Sex nur Dinge tut, weil man das Gefühl hat, man muss sie tun und das muss so und so aussehen, dann nimmt man den anderen gar nicht wahr. Und darum geht es. Guten Sex haben heißt, sich in Lust, Genuss und Geilheit fallen lassen zu können. Und vielleicht geht es dabei auch um Liebe. Darum, dass man sich traut, sich zu zeigen. Dann wird Sex richtig gut. Es geht nicht darum, irgendetwas auszuschalten, sondern voll da zu sein, als Mensch und alle Gefühle zu zeigen, Geilheit, Liebe oder auch Angst. Es geht um echte Intimität, um echtes Spüren.

Das klingt sehr gefühlsbetont, so etwas nach Blümchensex vielleicht. Empfindet das jeder so? Und Männer und Frauen gleich?



Männer haben es sicherlich ein bisschen leichter geil zu werden. Sie haben zwanzig bis dreißig Mal mehr Testosteron als Frauen. Und sie wissen, dass sie leicht einen Orgasmus bekommen. Wenn das bei mir auch so wäre, würde ich auch öfter Sex haben wollen. Das größere Problem ist eher, dass Frauen ihren Genuss und ihren Körper nicht so gut kennen. Über ein bestimmtes Niveau kommt man so nicht hinaus. Und man darf nicht denken, Männer würden weniger fühlen. Es gibt genug Untersuchungen, die zeigen, dass Männer genauso viele Gefühle haben wie Frauen, sie reden nur nicht so gerne darüber. Aber auch sie haben besseren Sex, wenn echte Gefühle im Spiel sind. Auch für Männer wird es geiler, je intensiver sie fühlen.


Welchen Stellenwert hat Sex heutzutage in unserer Gesellschaft?



Einen sehr großen. Sexuelle Befriedigung ist ein Urbedürfnis und deswegen wird sie benutzt. „Sex sells“ ist ein Grundprinzip unserer Gesellschaft. Sex ist auch ein wirtschaftliches Phänomen, sogar Affen zahlen dafür. Aber wir, oder besser gesagt die Industrie hat es damit übertrieben. Sex wird komplett überbewertet und löst eine Art von Druck aus, die uns unfähig macht, uns selbst zu spüren. Es geht häufig nur um können, müssen und das Aussehen. Wenn man über Sex redet, dann sollte man das so tun, wie wir in unserem Buch: normal, offen und ehrlich. Und nicht in den Kategorien „größer, geiler, besser“. Wir leben in einer Welt, in der immer eine Steigerung möglich ist. Das projiziert sich natürlich auch auf unser Sexleben. Aber für diese Hetzjagd nach Genüssen sind wir gar nicht geschaffen. Wir verlieren dadurch die Verbindung zu uns und zu den anderen.

Was machen wir, die sogenannte „Generation Porno“, jetzt damit? Sind wir wirklich alle so schrecklich verdorben und beziehungsunfähig?

Es ist schon extrem, womit sich diese Generation auseinandersetzen muss. Das Gute an Pornos ist ja, dass man immerhin mehr weiß als jemand, der so etwas gar nicht schaut. Man hat mal nackte Körper und Geschlechtsteile gesehen! Aber klar ist vielleicht nicht, dass Sex ohne Kamera meist ganz anders abläuft. Und wie dann überhaupt? Problematisch ist auch, dass viele Männer vier bis sechs Jahre vor Bildschirmen mit Pornofilmen bestimmte Masturbationstechniken einüben, die es nahezu unmöglich machen beim Sex mit einer anderen Person nicht gleich zu kommen. Ich kenne dieses Problem, viele junge Männer kommen tagtäglich damit zu mir. Ich glaube übrigens, dass gerade diese Generation sich irgendwann nach etwas Echtem sehnt und genau entgegen den jetzt präsenten Prinzipien leben wird. Diese Generation lebt ihren Sex jetzt und weiß irgendwann auch, dass Glück und Zufriedenheit viel mit anderen Menschen zu tun haben. Wenn man das jetzt noch nicht merkt, dann eben später.

Was ist das Wichtigste, was diese Generation über Sex wissen muss?

Ja, das ist wirklich schwer und ich würde jetzt sagen – aber nicht um mein Buch zu verkaufen – sie muss unbedingt dieses Buch lesen oder mit anderen – auch älteren Leuten – darüber reden. Aber Letzteres klappt eben meistens nicht. Ich muss jetzt eigentlich ein Buch für die Erwachsenen schreiben. Weil Erwachsene so Vieles auch nicht wissen. Deswegen bin ich ja überhaupt darauf gekommen, Make Love zu machen. Ich sitze jeden Tag mit Frauen zusammen, die gar nicht kommen können und mit Männern, die zu früh kommen. Ich kann zu den Kindern nicht sagen, rede mit deinen Eltern. Ich sage: Lies mein Buch! Das größte Problem ist diese Verkrampftheit, mit der wir an das Thema Sex herangehen. Wir sollten über Sex und alles was dazugehört normal und entspannt reden können – mit Kindern, aber auch untereinander. Das ist das Wichtigste. Wir müssen fast alles sagen können und sollten vieles wissen.

Warum stören sich eigentlich so viele an den Bildern, die in ihrem Buch zu sehen sind?



Ja, das ist wirklich absurd, oder? Wir zeigen einfach nur Menschen, die sich lieben und Sex haben. Und so viele regen sich darüber auf. Dass es aber Kinder gibt, die Pornos sehen, ist kein so großes Problem. Ich habe wirklich viel darüber nachgedacht und ich glaube, es hängt tatsächlich damit zusammen, dass diese Bilder nichts vorspielen, sondern echt sind. Sie zeigen echte Gefühle und das ist wahrscheinlich der große Tabubruch. Die Pornobilder stören uns nicht, die sind wir schon gewohnt. Es ist für uns mittlerweile anstößiger, wenn wir etwas Echtes sehen. Das ist Intimität, und die stört uns.

Aber es sind eben sehr deutliche Bilder. Manche sehen vielleicht einen fließenden Übergang zur Pornografie? Würden Sie nach all dem Trubel um die Bilder sagen, es wäre klüger gewesen, sie wegzulassen?



Nein, beim nächsten Mal mach ich noch mehr rein! Eltern können sich gar nicht vorstellen, was ihre Kinder alles schon gesehen haben. Es gibt Völker, in denen man Sex dort hat, wo man gerade steht. Und die Kinder spielen daneben und sind nicht vor den Kopf gestoßen. Bei uns läuft das ganz anders. Das ist das Problem. Sex wird bei uns häufig mit böse oder schlecht konnotiert. Wenn man normal und offen mit Sexualität umgehen kann und weiß, wann es wirklich schlecht oder böse wird, dann – und nur dann – weiß man auch als vierzehnjähriges Mädchen, wann mit sich aktiv dagegen wehren muss. Dann kann man auch zu seinem Onkel sagen „Nein, ich will nicht von dir angefasst werden!“. In Holland lernen das die Kinder mit drei Jahren im Kindergarten. Eltern sind dazu verpflichtet, superdeutlich mit ihren Kindern darüber zu sprechen. Das ganze Nicht-Reden schützt die Erwachsenen und deren Scham, aber nicht die Kinder. 

Das heißt, ein richtiger Umgang mit Sex hat viel mit dem Wissen über sich selbst und seinem Körper zu tun. Wissen heißt ja auch Orientierung haben.

Ist das der Grund, warum sie Make Love auch so wissenschaftlich aufgezogen haben?



Wir wollen mit dem Buch zeigen, dass wir die Jugendlichen ernst nehmen und ihnen nicht irgendetwas vorlabern. Wir versuchen keine Jugendsprache nachzuahmen, sondern wir sagen: Schau mal, darüber haben die Leute geforscht, das ist so und so. Und jetzt suche mal dich selbst, ob du das gut findest oder nicht. Das Buch ist für Menschen, die anfangen Sex zu haben. Sie sollen dabei einfach nicht dieselben Probleme haben wie die Erwachsenen. Ich will gar keine zu jungen Leser haben, das zeigt sich schon an der Sprache, die ist viel zu erwachsen.

Was müssen wir besser machen beim Sex? Welche Probleme und Ängste haben wir denn?

Wir haben Angst davor, irgendetwas nicht so zu schaffen wie die Anderen. Viele haben Angst, sich zu zeigen, so wie sie sind oder haben Angst, nicht richtig zu funktionieren. Sie haben die Bilder der Industrie im Kopf und glauben, diesen nicht gerecht werden zu können. Zu kleine Brüste, zu kurzer Penis und so weiter. Was man wissen muss, ist das niemand so erregt wird wie in Pornos und auch fast niemand von Natur aus so aussieht. Männer sollten Frauen zeigen, dass sie sie wahrnehmen und schön finden, so wie sie sind. Und Frauen sollten intensiver und mutiger werden und sich mehr mit dem Penis beschäftigen. Egal, wen man erregen möchte, man sollte es so tun, wie man es selbst gerne hätte: Den anderen als Mensch wahrnehmen, wirklich sehen und so gut finden wie er ist. Und offener über alles reden. Eigentlich ist das eine ganz einfache Sache.

Quelle: ZEITjUNG, 18.07.2012

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